Gedanken zum Evangelium
'Herr zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.' (Joh 6,68)
Gedanken zum Tagesevangelium:
'Lazarus, komm heraus!'
Heute erwartet uns ein sehr langes Evangelium, das letzte Wunderzeichen im Johannesevangelium, aufgeschrieben um ca. 100 nach Christus. Lazarus und seine Schwestern und alle die Jesus noch erlebt haben, sind längst verstorben und doch vermittelt uns dieses Evangelium eine große Unmittelbarkeit, so, als ob der Autor es selbst miterlebt hätte. Wir hören von der tiefen Freundschaft, die Jesus zu Maria, Marta und Lazarus hatte. Die hohen Erwartungen, die an Jesus gestellt werden und die tiefe Betroffenheit über den Tod eines guten Freundes. Neben diesen menschlichen Erfahrungen steht doch die Verkündigung Jesu im Zentrum. Es geht um Tod und Leben, um Sterben und Auferstehung. Jesus ist wieder einmal dort, wo alles hoffnungslos erscheint, aber durch sein Einssein mit seinem Vater kommt es zu einer großen Wende.
Der Name Lazarus, von 'El azara', was so viel bedeutet wie „Gott hat Hilfe gebracht“, erklärt diese Sendung Jesu. Dem Evangelisten ist es jedoch ganz wichtig, auf den Kern dieser ganzen Geschichte rund um Lazarus hinzuweisen, nämlich auf die Worte: 'Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben' (11,25 und 26)
Solche Aussagen von Jesus sind uns nicht fremd, hören wir diese gerade rund um Ostern verstärkt. Doch lese ich zur Zeit solche Texte anders, als vor dem Ausbruch der schrecklichen Pandemie, die so viele Todesopfer fordert und soviel menschliches Leid verursacht und auch uns immer näher rückt. Hoffnung und Glaube werden von Ängsten und Sorgen abgewechselt und der theoretische Glaube an die Auferstehung kann das auch nicht verhindern. So viele Menschen müssen jetzt den Tod eines geliebten Menschen beklagen.
Marta und Maria erleben ebenso tiefe Trauer um ihren Bruder Lazarus. Als sie vom Kommen Jesu hören, begegnen sie ihm mit einer Mischung aus Verzweiflung und Vorwurf. Maria kann das Geschehene nicht akzeptieren, sie wirft sich vor Jesus und beschuldigt ihn mit: 'Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.' Doch Jesus versucht sich nicht zu rechtfertigen und gibt auch keine Erklärung ab, warum Lazarus gestorben ist. Die große Trauer löst bei ihm große Erschütterung und Betroffenheit aus. Er ist ganz auf der Seite der Trauerenden und Verzweifelten, er empfindet genau wie sie, auch wenn er um die Auferstehung weiß.
Er geht zum Grab und fordert die Trauernden auf, den Stein vom Grab wegzunehmen, auch wenn ihm Marta noch erklären will, dass dies alles zu spät ist, dass Lazarus bereits tot ist und eigentlich schon die Verwesung eingesetzt hat. Und nun zeigt Jesus, wie sehr er mit seinem Vater eins ist und wie sehr Gott Herr über Leben und Tod ist. 'Lazarus, komm heraus.' Der Verstorbene kam heraus, an Füßen und Händen mit Binden umwickelt, sein Gesicht eingehüllt in einem Schweißtuch. Jesus fordert sie auf, die Binden zu lösen und ihn weggehen zu lassen.
Nach der Zeit der Trauer wird der schwere Stein vom Grab weggewälzt. Der Verstorbene wird das Grab verlassen und alles womit sie ihn festhalten wollten, wird aufgelöst. Auch wenn er aus ihren Augen verschwindet, bleibt der Glaube, dass er lebt.
Tagesevangelium vom 29. März 2020:
'Ein Mann war krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf der Maria und ihrer Schwester Marta. Maria war jene, die den Herrn mit Öl gesalbt und seine Füße mit ihren Haaren abgetrocknet hatte; deren Bruder Lazarus war krank. Daher sandten die Schwestern Jesus die Nachricht: Herr, sieh: Der, den du liebst, er ist krank. Als Jesus das hörte, sagte er: Diese Krankheit führt nicht zum Tod, sondern dient der Verherrlichung Gottes. Durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden. Jesus liebte aber Marta, ihre Schwester und Lazarus. Als er hörte, dass Lazarus krank war, blieb er noch zwei Tage an dem Ort, wo er sich aufhielt. Danach sagte er zu den Jüngern: Lasst uns wieder nach Judäa gehen. Die Jünger sagten zu ihm: Rabbi, eben noch suchten dich die Juden zu steinigen und du gehst wieder dorthin? Jesus antwortete: Hat der Tag nicht zwölf Stunden? Wenn jemand am Tag umhergeht, stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt sieht; wenn aber jemand in der Nacht umhergeht, stößt er an, weil das Licht nicht in ihm ist. So sprach er. Dann sagte er zu ihnen: Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, um ihn aufzuwecken. Da sagten die Jünger zu ihm: Herr, wenn er schläft, dann wird er gesund werden. Jesus hatte aber von seinem Tod gesprochen, während sie meinten, er spreche von dem gewöhnlichen Schlaf. Darauf sagte ihnen Jesus unverhüllt: Lazarus ist gestorben. Und ich freue mich für euch, dass ich nicht dort war; denn ich will, dass ihr glaubt. Doch wir wollen zu ihm gehen. Da sagte Thomas, genannt Didymus, zu den anderen Jüngern: Lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben! Als Jesus ankam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grab liegen. Betanien war nahe bei Jerusalem, etwa fünfzehn Stadien entfernt. Viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, um sie wegen ihres Bruders zu trösten. Als Marta hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen, Maria aber blieb im Haus sitzen. Marta sagte zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben. Jesus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. Marta sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Jüngsten Tag. Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? Marta sagte zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll. Nach diesen Worten ging sie weg, rief heimlich ihre Schwester Maria und sagte zu ihr: Der Meister ist da und lässt dich rufen. Als Maria das hörte, stand sie sofort auf und ging zu ihm. Denn Jesus war noch nicht in das Dorf gekommen; er war noch dort, wo ihn Marta getroffen hatte. Die Juden, die bei Maria im Haus waren und sie trösteten, sahen, dass sie plötzlich aufstand und hinausging. Da folgten sie ihr, weil sie meinten, sie gehe zum Grab, um dort zu weinen. Als Maria dorthin kam, wo Jesus war, und ihn sah, fiel sie ihm zu Füßen und sagte zu ihm: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr gekommen waren, war er im Innersten erregt und erschüttert. Er sagte: Wo habt ihr ihn bestattet? Sie sagten zu ihm: Herr, komm und sieh! Da weinte Jesus. Die Juden sagten: Seht, wie lieb er ihn hatte! Einige aber sagten: Wenn er dem Blinden die Augen geöffnet hat, hätte er dann nicht auch verhindern können, dass dieser hier starb? Da wurde Jesus wiederum innerlich erregt und er ging zum Grab. Es war eine Höhle, die mit einem Stein verschlossen war. Jesus sagte: Nehmt den Stein weg! Marta, die Schwester des Verstorbenen, sagte zu ihm: Herr, er riecht aber schon, denn es ist bereits der vierte Tag. Jesus sagte zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen? Da nahmen sie den Stein weg. Jesus aber erhob seine Augen und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich wusste, dass du mich immer erhörst; aber wegen der Menge, die um mich herumsteht, habe ich es gesagt, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast. Nachdem er dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! Da kam der Verstorbene heraus; seine Füße und Hände waren mit Binden umwickelt und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch verhüllt. Jesus sagte zu ihnen: Löst ihm die Binden und lasst ihn weggehen! Viele der Juden, die zu Maria gekommen waren und gesehen hatten, was Jesus getan hatte, kamen zum Glauben an ihn.' (Joh 11, 1 - 45)
Text: Katharina Mayr-Jetzinger / Bild: Pixabay